Die Vorzeichen für das Heimwochenende waren gemischt. Einerseits konnten mit der Allianz Lebensversicherung AG und der Dürr AG zwei hervorragende Ausrichter gefunden werden. Dies bedeutete ausgezeichnete Spielbedingungen, viel Platz für Zuschauer zum Kiebitzen und selber spielen, alles für das leibliche Wohl während und nach der Partie. Nur wer in einer Großstadt einmal einen angemessenen Spielort gesucht hat, weiß welche Last diese Sponsoren hiermit von dem Verein nehmen.
Die schachlichen Perspektiven sahen nicht so rosig aus, da Hedinn aus beruflichen Gründen absagen musste und auch Igor am Sonntag fehlen würde. Bei unserer dünnen Spielerdecke konnte dies schwerlich kompensiert werden. Dies hatte auch zur Folge, daß alle Stammspieler hinter Igor an diesem Wochenende entweder dreimal mit Weiß oder dreimal mit Schwarz anzutreten hatten. Das Ergebnis war gemischt. Severin kam mit seinem Schwarzprogramm hervorragend zurecht und benötigte sogar nur eine Eröffnung, während für den Mannschaftsführer dies als ein wirklich schwarzes Wochenende in Erinnerung bleiben wird.


Stuttgarter SF - Baden-Oos 1-7

230 Elopunkte Vorsprung und das im Schnitt pro Brett, das war zu erwarten, die wirkliche Aufstellung war dann aber eher unerwartet. Anand spielte überraschenderweise, obwohl sowohl Samstag als auch Sonntag ein deutlich stärkerer Gegner wartete. Dafür pausierten Shirov und Shvidler, Vallejo hatten wir vor Linares nicht erwartet. Beginnen wir mit dem positiven. Die beiden Weißremisen von Igor und Andreas gegen Dautov und Krasenkov waren nie in Gefahr und verdient, mehr war aber auch nicht drin. Bei den anderen Weißpartien versuchten Thomas und Oskar zu verwickeln, was in beiden Partien nach hinten losging. Mit Schwarz kamen Aleksandar und ich bald in unangenehm passive Stellungen und die Befürchtungen bewahrheiteten sich. In den anderen beiden Partien kamen die Zuschauer auf ihre Kosten. Eckhard, den ich kurz vor der Partie von seinem gewohnten Arbeitstag abholte, erarbeitete sich gegen Anand in einem Stonewall erst einmal einen Zeitvorteil und tauschte seine Schutzmauer bereitwillig um taktische Verwicklungen zu erzeugen. Bis zum 30. Zug war alles unklar, der Computer sympathisiert sogar mit Schwarz, bevor die Figuren von Eckhard sich etwas verstrickten. 1... Sxe5 (besser Dxe5) 2.Sxe6 Df3 3.Dxf3 Txf3 4.Te1 Lf6? (besser Ld6) 5.Lg2

Noch deutlicher war es bei Severin. Gegen Hübner spielte er zur Abwechslung mal Slawisch und stand nach einem unmotivierten Angriff seines Gegners klar besser. Etwas von dem Vorteil ließ er entgleiten, aber als er die Dame einstellte stand er immer noch besser. 1... e3? 2.Sxe3 Sc3?? 3.Sf5+

Die Spielbedingungen bei der Allianz Lebensversicherungen waren ausgezeichnet, obwohl der Tagungsraum zeitweise zusätzlich wohl über 100 Zuschauer fassen musste.

Stuttgarter SF - Solingen 2-6

Solingen hatte sich anscheinend für dieses Wochenende etwas vorgenommen, denn sie traten mit kompletter Truppe an, obwohl mit Schäfer, Schneider und Wegerle zusätzlich drei Ersatzspieler kiebizten. Mit Sadler an Brett fünf, was sollte da schon passieren. Überraschend gab es diesmal eine deutliche Zweiteilung im Ergebnis. Während die vorderen vier Bretter unglücklich 2-2 spielten, ging die hintere Hälfte völlig leer aus.




Eckhard ließ die Zuschauer wieder voll auf ihre Kosten kommen. Gegen den 2650er Nikolic verschärfte er aus seinem soliden Stonewall wieder konsequent die Stellung. Ich erspare mir für jedes Fragezeichen eine Verbesserung vorzuschlagen, weise aber darauf hin, daß dahinter meist eine Veränderung der Stellungsbewertung um mehrere Bauerneinheiten steht. 1... Sf6? 2.Dg7 Ke8 3.Lf4? Dxb2? (3... Lxf2 4.Kxf2? Dxf4) 4.Lh5 Kd8 5.Sg5 Dxa1 6.Kg2

Interessant anzumerken ist auch, daß Eckhard eine knappe Stunde mehr auf der Uhr hatte. Weiter ging es wie folgt: 6... Le7 7.Ld6? Tc7?? 8.Lxe7?? Txe7 9.Dxf8 Kd7 10.Db8? Sh5 und Schwarz war wieder am Drücker. Leider ließ er im Endspiel den Vorteil wieder entgleiten und kam über eine Punkteteilung nicht hinaus.




Nachdem Andreas die ersten vier Partien in der Saison verloren hatte, ist er nun unser sicherster Punktesammler und dies reihenweise gegen Großmeister. Trotzdem hat er den Respekt noch nicht völlig abgelegt, wie die folgende Stellung gegen unser Exmitglied Christian Gabriel zeigt. Statt mit 1.Se4! Lxf5 2.Sg5 Lc8 3.Dc2 den klaren Vorteil umzusetzen spielte er sehr zahm 1.Sc4?! Sd7 2.Dd2 Kh8 und die Partie verflachte zum remis.




Thomas hatte gegen Naumann lange im Trüben gefischt und gerade hatte sein Gegner den einen Bauern auf b3 verspeist und seine Großmeisternorm schom im trockenen gewähnt. Aber plötzlich entdeckte er 1.Tc8!!, was nach Se7 2.Txd8 Dxd8 3.De6, die Partie auf den Kopf gestellt hätte. Aber Thomas spielte 1.Te1 und gab wenig später auf.
Der Rest ist kurz zusammen zu fassen. Igor schob wieder sein halben Punkt ein, Aleksandar mißhandelte einen Maroczy und ich ließ weichte meinen Damenflügel schon nach der Eröffnung freiwillig auf.



Aber der bisher arg gebeutelte Severin hielt gegen Jussupov mit Schwarz problemlos remis.

Wattenscheid - Stuttgarter SF 5.5-2.5

Wattenscheid war trotz zweier 2600 an den vorderen Brettern der leichteste Gegner. Dumm, daß gerade hier Brett 2 und 3 bei uns fehlten. bei Eckhard ging das Hauruckschach diesmal nach hinten los, Nielsen ließ im vorteilhaften Turmendspiel nichts mehr anbrennen. Dafür klammerte Severin in seiner dritten Schwarzpartie gegen Rustemov in hundert Zügen wieder einen halben Punkt ab und kann mit eins aus drei trotz vergebener Chancen zufrieden sein. Auch Andreas fuhr gegen Appel den inzwischen gewohnten halben Punkt ein.
Die ersten beiden Partien des Mannschaftsführers bleiben besser unerwähnt, die dritte bot wenigstens dem Publikum etwas Unterhaltung. In der Eröffnung hatte Schwarz einen Bauern stibitzt, den zweiten sich nicht getraut und dann eine Stellung erhalten in der Fritz sich wohlfühlt, aber Computer sind da doch eigen. 1.Lc5?! Sd3?? (1... Sc4? 2.Dxa6; 1... Thd8 2.Dxa6?? Dxb3) 2.Ld4 Se5? 3.Txb7

Wie man bei der folgenden Stellung wieder sieht ist Thomas sicher nicht dafür verantwortlich, daß außer Remisen nichts Zählbares heraussprang. 1... Sd2? 2.Dg4 Lxd4 3.cd4 Lh5 und Weiß hat riesigen Vorteil, den er noch vergrößerte um ihn in ein Endspiel mit symbolischen Mehrbauern zu verwandeln.
Aleksandar einigte sich mit Dienstuhl auf remis, nachdem die Zeitnot überstanden war und Wolfgang wickelte gegen Ellers in ein unverlierbares Endspiel mit zwei Minusbauern ab. Oskar übersah ein Damenopfer von Sträter, daß seinem Gegner zwei Türme plus Zinsen für die Dame einbrachte.

Trotz des wie schon gewohnt sportlich nicht so erfolgreichen Ergebnisses, war die Veranstaltung für das Schach ein Erfolg. Wann gab es in Stuttgart zuletzt so viele Stars zum Anfassen. Wie üblich war am Samstag der Ansturm am größten, gibt es doch keine Überschneidungen mit anderen Mannschaftskämpfen. Die Anzahl der Besucher wird an diesem Tag die 200 sicher überschritten haben.



Da der Berichterstatter wenn auch erfolgslos an den Partien beteiligt war, kommen die Begegnungen unseres Reisepartners hier zu kurz, obwohl Anand, Shvidler und Shirov natürlich die Magneten dieses Wochenendes waren.



Deshalb verweise ich hier auf ihre Internetseiten. Von ihrem immer hilfsbereiten Mannschaftsführer Thilo Gubler habe ich schon einmal einige der Bilder dieses Berichts geklaut.

Hier gibt es die kompletten Partien des Wochenendes im PGN-Format zum runterladen.

Die aktuelle Tabelle findet man unter Mannschaften.