Neulich in der Verbandsliga ...


oder warum in Ditzingen der Erfolg offenbar alle Mittel heiligt.

Nach gut 30 Jahren Turnierpraxis sollte man eigentlich alles schon mal erlebt haben - aber man ist vor Überraschungen nie sicher ...

In der 8. Runde ging es im Verbandsligaspiel Ditzingen II - SSF III um "Alles oder Nichts" - nur der Sieger konnte sich noch Hoffnung auf den Verbleib in der Liga machen - der Verlierer war praktisch bereits vor der Schlußrunde abgestiegen.

In Anbetracht der Bedeutung des Kampfes stand die Vorbereitung unter keinem guten Vorzeichen; letztendlich konnten die 3. Mannschaft der SSF nur sieben Spieler aufbieten - aber das ist eine andere Geschichte.

Um dem betroffenen Ditzinger Spieler die obligatorische Wartezeit zu ersparen, zeigte ich das Fehlen eines Spielers dem Ditzinger Mannschaftsführer (und Schiedsrichter) W. Pfeifer vor dem Spiel an (Treppenwitz in Anbetracht der späteren Ereignisse: die Ditzinger bedankten sich explizit für unsere Fairness ...).

Meine Partie am ersten Brett gegen Zimber (Ditzingen) stand zunächst unter keinem guten Stern - nach einem nachlässigen Zug konnte Schwarz eine schöne Stellung aufbauen und ich mußte heftig um den Ausgleich kämpfen. Im folgenden Verlauf der Partie gelang es meinem Gegner aber nicht, den vorhandenen leichten Eröffnungsvorteil zu verdichten und einen entscheidenen Durchbruch zu erzielen. Nach gut 20 Zügen konnte ich ausgleichen und hatte noch ca. 55 Minuten auf der Uhr während Schwarz bereits über 100 Minuten seiner Bedenkzeit verbraucht hatte. Nach dem 23. Zug wurde schließlich die folgende Stellung erreicht:

Seibel - Zimber (nach dem 23. Zug von Weiß)

Schwarz steht vielleicht noch etwas aktiver, aber Weiß hat zurück ins Spiel gefunden. Der nachfolgende Bauernzug (23. ... b5 ?) verdirbt die Stellung aber - nach 24. Ld1 ! ist dem Turm der Rückweg abgeschnitten und Schwarz stehen schwere Zeiten bevor (Fritz zeigt das Kippen der Stellung sofort an). Die Mimik meines Gegners zeigte deutlich, daß er die Stellung ähnlich wie Fritz beurteilte. Nach etwa 10 Minuten Bedenkzeit (damit verblieben ihm für die restlichen 16 Züge bis zur Zeitkontrolle noch 10 Minuten) zog er schließlich 24. ... Sd5 - wohl wissend, daß dem Turm nicht mehr zu helfen ist.

Seibel - Zimber (nach dem 24. Zug von Schwarz)

Nach kurzer Bedenkzeit wollte ich schließlich den klaren Gewinnzug 25. Lb3 ausführen, stieß aber vorher unglücklich mit meinen Fingern gegen die auf d2 stehende Dame, die dann auch sofort umfiel. Nach einem Ausdruck des Bedauerns und einem "Jadoube" wollte ich die Dame wieder auf ihren angestammten Platz zurückstellen und den Gewinnzug ausführen. Mein Gegner aber erkannte die unverhoffte "Chance" in verlorener Stellung und reklamierte sofort "Berührt-Geführt", obwohl es sich bei meinem "Umfaller" offensichtlich um ein klares Mißgeschick gehandelt hatte und ich ihm auch sofort den Gewinnzug zeigte.

Auch der herbeigeeilte Schiedsrichter stellte sich sofort auf die Seite meines Gegners (vielleicht schätzte er die Stellung ähnlich "aussichtsreich" für Ditzingen wie Fritz ein ?!) so daß ich ob der Unverfrorenheit und Kaltschnäuzigkeit der Ditzinger völlig konsterniert und entnervt erklärte, daß ich unter diesen Bedingungen nicht weiterspielen wolle und deshalb die Partie aufgäbe. Danach verließ ich völlig demoralisiert ob der "Ditzinger Fairness" das Spiellokal und mußte mir vom Schiedsrichter beim Hinausgehen noch sagen lassen, daß man den Sachverhalt bei einer "weniger wichtigen" Partie wohl anders beurteilt hätte (als ob die Auslegung der Regeln und der Sachverhalt von der Bedeutung der Partie abhängig wäre ...)

Leider hat es mir in dem Augenblick an der Frechheit meines Gegners gefehlt, sonst hätte ich es auf einen Eklat ankommen lassen - wie mir G. Lorscheid am gleichen Abend erklärte, hätte mein Protest sehr gute Aussichten auf Erfolg gehabt ...

Aber auch aus solch schlechten Erfahrungen kann man seine Schlußfolgerungen ziehen: Meinen zukünftiger Umgang mit den Ditzinger "Freunden" werde ich noch einmal in Ruhe überdenken ...

Nachzutragen bleibt noch: Ditzingen gewinnt den Mannschaftskampf knapp mit 4,5:3,5 und träumt weiter vom Klassenerhalt ...


Ullrich Seibel